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Schilddrüsenpraxis Josefstadt

Laborwerte bei Schilddrüsenerkrankungen

Verfasst von Dr. Georg Zettinig, Wien, 2024

Der Artikel wurde nach einem Vortrag in der Gesellschaft der Ärzte im Rahmen der Serie "Learning from the Wise" von Labors.at verfasst.

 

Die Labordiagnostik der Schilddrüse ist mit Hilfe einiger Werte rasch und kostengünstig durchführbar. Auch jenseits von TSH, fT4 und fT3 gibt es zahlreiche Parameter, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden, um konkrete Maßnahmen abzuleiten. Wer zudem über häufige Assay-Interferenzen Bescheid weiß, erspart sich und seinen Patienten nervenaufreibende Spekulationen.

Das Labor spielt bei der Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen eine große Rolle – wenn auch nicht die einzige, denn ein korrekter Befund ist ohne die Darstellung der Struktur so gut wie unmöglich. Der Ultraschall ist hierbei das Mittel der Wahl; dazu kommen bei Bedarf Szintigrafie und die gezielte Feinnadelpunktion. In diesem Artikel geht es ums Labor, mit dessen Hilfe sich erste Fragen rasch beantworten lassen.

1. Regelkreise der Schilddrüse

1.1. Der thyreotrope Regelkreis

An der Spitze des thyreotropen Regelkreises steht der Hypothalamus, der das Releasing-Hormon TRH ausschüttet und so die Hypophyse anregt, TSH freizusetzen. Es existiert ein negativer Rückkoppelungsmechanismus zwischen TSH und der Ausschüttung der Schilddrüsenhormone T4 und T3: Ein Mehr an TSH stimuliert deren Freisetzung; ist weniger TSH vorhanden, gelangen weniger Schilddrüsenhormone ins System.


1.2. Weitere Regelkreise

Neben dem thyreotropen Regelkreis gibt es einige weitere, die meist kaum bedacht werden. Zum ersten dieser Regelkreise gehören die Dejodinasen. Es handelt sich um Enzyme, die etwa 80 Prozent des T3 aus T4 bilden. Die Umwandlung geschieht in peripheren Körperzellen wie jenen der Leber, dem Gehirn oder den Muskeln.

Ein weiterer Regelkreis betrifft die intrazelluläre Bindung des fT3 an den Zellkern. Dabei dringen Schilddrüsenhormone aktiv in den Zellkern ein und binden an spezifische Schilddrüsenhormonrezeptoren. Dies ist nicht messbar. Als vierter Regelkreis ist der diaplazentare Transport bekannt, mit Hilfe dessen Schwangere ihre Föten versorgen, bevor deren Schilddrüse funktionsfähig ist.

 

2. Hypothyreose

Die Schilddrüsenunterfunktion ist definiert als ein Mangel an Schilddrüsenhormon. Wir unterscheiden die primäre und die sekundäre Hypothyreose. Die erste ist thyreogen bedingt, die zweite entsteht durch verminderte TSH-Produktion. Eine sekundäre Unterfunktion (erkennbar an niedrigen TSH Spiegeln und verminderten Spiegeln von fT3 und fT4 ist allerdings extrem selten). Am häufigsten sehen wir in der Praxis die primäre Unterfunktion.

Des Weiteren lässt sich die Hypothyreose in die subklinische (latente) und die manifeste Form einteilen. Die manifeste Hypothyreose zeichnet sich durch verminderte fT4- und fT3-Werte aus. Bei der subklinischen Unterfunktion ist der TSH-Wert hoch, fT4 und fT3 liegen noch im Normbereich.

2.1. Ursachen

Die häufigste Ursache der Hypothyreose ist die Autoimmunthyreoiditis. Dazu kommen andere Schilddrüsenentzündungen, und iatrogene Ursachen wie Operation, Radiojodtherapie und verschiedene Medikamente (Lithium, Interferon-alpha, Interleukin 2, Amiodaron, Tyrosinkinasehemmer, Immun-Checkpoint-Inhibitoren). Auch die Athyreose kommt in Frage: In Österreich wird einer von 10.000 Säuglingen ohne Schilddrüse geboren und dies wird im Rahmen des Neugeborenen-Screenings auch sehr gut erfasst. Jodmangel kann ebenfalls die Ursache einer Unterfunktion sein. Weiters kennen wir die passagere Hypothyreose bei destruierender Thyreoiditis und die sekundäre (zentrale) Unterfunktion, die in der Praxis als Rarität gilt.

2.2. Symptome

Die Symptome der Hypothyreose sind individuell sehr unterschiedlich ausgeprägt, unspezifisch und korrelieren nicht mit der Höhe des TSH-Wertes.

• Müdigkeit, Antriebslosigkeit, depressive Verstimmung
• Vermehrter Haarausfall
• Ständiges Frieren und Kälteempfindlichkeit
• Träge Verdauung
• Brüchige Nägel
• Kühle, trockene Haut
• Langsamer Herzschlag, Bluthochdruck
• Zyklusstörungen, herabgesetzte Fruchtbarkeit
• Gewichtszunahme
• Schwellungen

2.3. Labordiagnostik

Um die Unterfunktion zu bestimmen, braucht es die TSH-, fT4- und fT3-Werte. Aufschluss über die zugrundeliegende Krankheit geben TPO- und Tg-Antikörper. Zusätzlich sind Anamnese und Ultraschall obligat.

 

3. Hyperthyreose

Die Schilddrüsenüberfunktion ist definiert als ein Zuviel an Schilddrüsenhormon. Es existieren drei komplett verschiedene pathogenetische Modelle, die unterschiedlich behandelt werden müssen:

• Produktionshyperthyreose: In der Schilddrüse wird zu viel Hormon produziert
• Destruktionshyperthyreose: Schilddrüsengewebe wird zerstört, ins Blut geschwemmt, die Follikel platzen. Passager entsteht eine Überfunktion, die sich anschließend normalisiert und häufig in eine Unterfunktion übergeht
• Extrathyreoidale Ursache: Auslöser sind zu weit mehr als 99 Prozent Schilddrüsenhormonpräparate

3.1. Ursachen

Als Ursachen der Hyperthyreose gelten

• Immunhyperthyreose, Morbus Basedow: eine Autoimmunerkrankung auf Basis einer irrtümlichen Fehlfunktion des Immunsystems. Behandlungsbedürftig
• Unifokale und multifokale funktionelle Autonomie: In jedem Alter eine behandlungsbedürftige Ursache, selbst bei hochbetagten Patienten, da die Überfunktion zu Vorhofflimmern und anderen Problemen des Herz-Kreislaufsystems führen kann
• Passagere Hyperthyreose durch Zelldestruktion bei Thyreoiditis: Üblicherweise braucht es hier keine Medikation, ev. symptomatische Behandlung mit Betablockern
• Extrathyreoidale Ursachen wie Hyperthyreosis factitia (absichtlich/unabsichtlich) oder Raritäten wie metastasierende Schilddrüsenkarzinome, Struma ovarii und das TSH-produzierende Hypophysenadenom

3.2. Symptome

Auch bei der Überfunktion kennen wir zahlreiche, unspezifische Symptome:

• Emotionale Verletzbarkeit
• Schlechter Schlaf
• Haarausfall
• Innere Unruhe und Nervosität
• Schwitzen und Hitzegefühl
• Zittern
• Häufiger Stuhlgang
• Warme, trockene Haut
• Basedow’sche Glotzaugen
• Vergrößerte Schilddrüse (Kropf)
• Schneller Herzschlag, Bluthochdruck, Atemnot
• Zyklus-Unregelmäßigkeiten, herabgesetzte Fruchtbarkeit
• Gewichtsverlust trotz reichlichem Essen
• Osteoporose

3.3. Labordiagnostik

Im Fall der Produktionshyperthyreose ist das fT4 mäßig erhöht, das fT3 in Relation deutlich über dem Grenzwert. Bei der Destruktionshyperthyreose ist der fT4-Wert ganz klar zu hoch, während das fT3 in Relation nur gering angestiegen ist. (Abb. 2)

Zusätzlich sollten TRAK, Tg- und TPO-Antikörper bestimmt werden, um die Ursache der Hyperthyreose zu klären. Neben dem Labor sind auch hier Anamnese, Ultraschall essentiell, und die Szintigrafie ist zur Unterscheidung zwischen den beiden Ursachen der Hyperthyreose differentialdiagnostisch wegweisend.

3.4. Szintigrafie

Die Differentialdiagnose der Überfunktion ist eine Domäne der Szintigrafie. Im Ultraschall lassen sich zum Beispiel der Morbus Basedow, die destruktive Thyreoiditis oder die multifokale Autonomie nicht sicher voneinander unterscheiden – mit Hilfe der Szintigrafie ist dies jedoch möglich. Wir injizieren Technetium in die Vene, das wie Jod metabolisiert wird. Ein Detektorkopf misst anschließend die räumliche Verteilung im Schilddrüsengewebe.

 

4. Spezielle Schilddrüsenerkrankungen

4.1. Non thyroidal Illness

Im Rahmen jeder schweren Allgemeinerkrankung werden die Dejodinasen gehemmt; mitunter sinkt auch das fT4. Der Körper ist bestrebt, sich zu schützen und geht sozusagen in den Schongang. Daher ist vor allem auf Intensivstationen die Indikation zur Bestimmung der Schilddrüsenfunktion mit Bedacht zu stellen. Es könnte sich um ein so genanntes Low-T4-Low-T3-Syndrom handeln. Auch bei der Anorexie versucht der Körper übermäßigen Kalorienverbrauch zu vermeiden und so sinkt erst das fT3 und später auch das fT4.

4.2. TSH-produzierendes Hypophysenadenom

Bei jeder seltsamen Laborkonstellation kommt wohl uns allen der Gedanke an dieses Adenom. Tatsächlich ist es extrem selten. Es zeigt sich in einer oft typischen Klinik einer Hyperthyreose mit diffuser Struma, Gesichtsfeldausfällen und Problemen mit anderen Hypophysenhormonen. Das TSH ist hochnormal bis erhöht, fT4 und fT3 sind erhöht. Das SHBG ist hoch und es zeigt sich auch ein TSH Anstieg nach i.v. Stimulation mit TRH (TRH-Test)

4.3. Periphere Schilddrüsenhormonresistenz

Dabei handelt es sich um eine relativ häufige Erbkrankheit. Gibt es mehrere Fälle in der Familie, ist das ein klares Indiz, in diese Richtung weiter zu suchen. Die Erkrankung zeigt sich durch eine verminderte Wirkung von Schilddrüsenhormon in verschiedenen Geweben. Die Symptome sind im Vergleich zum TSH-produzierenden Hypophysenadenom deutlich milder. Das TSH ist hochnormal bis erhöht, fT4 ist erhöht, fT3 hochnormal bis erhöht, das SHBG ist niedrig und es zeigt sich kein Anstieg im TRH-Test. Will man die Diagnose sichern, ist die Sequenzierung des Thyroid-Hormon-Rezeptor-Beta-Gens (THRB) obligat.

4.4. Euthyreote Hyperthyroxinämie

Auch diese Erkrankung kommt gelegentlich vor. Das Thyroxinbindende Globulin (TBG) ist erhöht, das proteingebundene TT4 ebenso, TSH ist normal. Das fT4 sollte in der Regel auch im Normbereich liegen, die Werte können in verschiedenen weit verbreiteten Assays jedoch auch mild erhöht sein.

 

5. Relevante Laborwerte

5.1. Thyreoidea-stimulierendes Hormon (TSH)

Der sensitivste Parameter für eine Schilddrüsenfunktionsstörung ist das TSH. Steigt der TSH-Spiegel an, ist dies ein erstes Zeichen für einen Mangel an Schilddrüsenhormon im Blut. Sinkt der TSH-Wert, zeigt dies ein Übermaß an Schilddrüsenhormon an. Ein normales TSH im Screening schließt eine Schilddrüsenfunktionsstörung praktisch aus. Abb. 3 zeigt eine Übersicht aller Werte im Kontext mit Schilddrüsenfunktionsstörungen.

Als "auffällig" wird oft schon ein TSH Wert ab 2.5 angesehen. In der Praxis ist es unerheblich, ob der Wert bei einer einzelnen Messung bei 3,8 oder 6,2 liegt. Hochnormale Werte ab 2.5 lassen eine Störung der Schilddrüsenfunktion vermuten. Dabei können die Werte über einen langen Zeitraum hinweg schwanken. Ab einem TSH-Wert von 10 sollte jedenfalls behandelt werden.

5.2. Freies Thyroxin 4 und freies Thyroxin 3 (fT4 und fT3)

Ist der TSH-Wert pathologisch, ermitteln die Labors oft automatisch die fT4- und fT3-Werte. Gesamt-T3 und Gesamt-T4 müssen nicht mehr bestimmt werden, da sie keine Aussage über die aktiven Hormonspiegel zulassen.

T3 und T4 sind zu 99 Prozent proteingebunden, die Halbwertszeit von T4 im Plasma beträgt sieben Tage. Im System befindet sich ein Pool an T4, der Körper wandelt es bei Bedarf in T3 um. Wichtig zu wissen ist: Nur die freien Hormone fT4 und fT3 sind biologisch wirksam. Jeder Mensch hat individuell genetisch determinierte fT4 und fT3 Werte; fT4 und fT3 sind also für die Beurteilung der Schilddrüsenfunktion, wenn es in einer weitgehend stabilen Situation nur um feine Nuancen geht, nicht sehr hilfreich. Hier befinden wir uns klar in der Domäne des TSH. In Situationen, in denen sich die Schilddrüsenfunktion rasch ändert (z.B. Beginn einer Thyreoiditis, thyreostatische Therapie, unmittelbar vor und nach Schilddrüsenoperation) ist die zusätzliche Bestimmung von fT4 und fT3 sehr wichtig.

5.3. Einfache Interpretation der Laborwerte

Abb. 3 zeigt eine Grafik, die das Interpretieren der Laborwerte in der Praxis deutlich erleichtert. Ist das TSH erhöht, fT4 und fT3 dagegen normal, ist dies ein Zeichen für die beginnende Unterfunktion. Steigt das TSH weiter und sinken die Werte der freien Hormone, zeigt dies die manifeste Hypothyreose.

Das Gegenteil findet sich bei der Überfunktion: Im Fall der subklinischen Hyperthyreose ist das TSH erniedrigt, fT4 und fT3 dagegen sind normal. Steigen schließlich auch fT4 und fT3, ist die Hyperthyreose manifest.

Im unteren Teil der Grafik in Abb. 3 sehen Sie verschiedene Laborkonstellationen, die in der Praxis täglich vorkommen. Die Unterfunktion zeigt sich auch in erhöhtem TSH, vermindertem fT4 und normal hohem fT3. Hier ist fT4 bereits zu niedrig und der Körper versucht, mit Hilfe der Dejodinasen noch so viel T3 wie möglich zu gewinnen.

Eine Hyperthyreose mit verminderter Aktivität der Dejodinasen zeigt sich durch niedriges TSH, erhöhtes fT4 und normal hohes fT3. Diese Konstellation findet sich häufig, wenn Patienten zu viel Schilddrüsenhormon einnehmen. Auch beim Zellzerfall ist das fT4 hoch und der Körper versucht die Umwandlung von fT4 in fT3 zu drosseln, um sich vor dem im Übermaß vorhandenen Schilddrüsenhormon zu schützen.

Ist das TSH vermindert, fT4 normal und fT3 erhöht, ist dies das erste Zeichen einer Produktionshyperthyreose. Und dann gibt es noch eine sehr seltsame Konstellation: TSH erhöht (TSH spiegelt die Situation der letzten sechs Wochen wider), fT4 erhöht und fT3 normal. Das kommt häufiger vor als gedacht, nämlich dann, wenn der Patient die Tabletten sehr unregelmäßig einnimmt und vor der Kontrolle als Ausgleich drei auf einmal zuführt. Die drei Tabletten misst man im Blut als erhöhten fT4 Wert. Das fT3 ist noch normal, weil das fT4 aus den Tabletten noch nicht in fT3 dejodiniert wurde.


5.4. Verfälschte Werte durch Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel

Heutige Immunoassays sind zu 99 Prozent verlässlich – es gibt jedoch verschiedene Faktoren, die das Ergebnis möglicherweise verfälschen. Von einigen Medikamenten ist bekannt, dass sie den TSH-Spiegel beeinflussen können. Dazu gehören u.a. Metoclopramid, Amiodaron (s. 5.4.1), Domperidon, Sulpirid, Chlorpromazin, Haloperidol, Biperiden, Dopamin und L-Dopa. (Abb. 4) Am Tag der Blutabnahme sollten Patienten daher diese Medikamente nicht einnehmen.

Leichte zirkadiane Schwankung von etwa zehn Prozent kommen vor, morgens ist der TSH-Wert etwas tiefer und steigt im Lauf des Tages gering an.

Biotin kann zu Interferenzen bei der Bestimmung verschiedenster Laborparameter führen, unter anderem bei der Bestimmung von TSH, fT4, fT3, TRAK, Vitamin D und Parathormon. Wenn hochdosiert Biotin eingenommen wird, werden muss dieses einen Tag vor der Blutabnahme pausiert werden. Bei ausgeprägten Veränderungen im Schilddrüsenlabor, die in Diskrepanz zu Klinik und Bildgebung stehen, muß daran gedacht werden.

Labors.at arbeitet mit Enzymimmunoassays, die Ruthenium verwenden. Manche Patienten haben Anti-Ruthenium-Antikörper entwickelt, die das Assay stören können. Auch TSH-Antikörper können interferieren.

Hohe Werte bei unauffälliger Klinik sollten daher immer hinterfragt und der Test gegebenenfalls mit anderen Assays wiederholt werden, die nicht auf Biotin oder Ruthenium-Antikörper reagieren. Die Labordiagnostiker sind bei der Suche nach den Gründen für unerklärbare Werte behilflich. Es ist sicher sinnvoll, seinem Labor treu zu bleiben, denn die verwendeten Assays können sich unterscheiden. Labors.at verwendet beispielsweise die gleichen Assays wie das AKH Wien, jedoch andere als die Klinik Ottakring (vormals Wilhelminenspital) oder das SMZ Ost. Es gibt also leichte Unterschiede zwischen unterschiedlichen Labors.

Wichtig zu beachten ist weiters, dass etwa fünf Prozent der Patienten mit Hashimoto-Thyreoiditis auch eine Zöliakie aufweisen. Bei schwankendem Bedarf an Schilddrüsenhormontabletten sollte an eine Resorptionsstörung durch eine Zölikaie gedacht werden. Es kann hilfreich sein, den Patienten nach Symptomen zu befragen oder die Transglutaminase-IgA-Antikörper zu bestimmen.

5.4.1. Veränderungen durch Amiodaron

Das Antiarrhythmikum enthält jede Menge Jod und führt zu einer typischen Veränderung der Schilddrüsenhormone: fT4 ist mild erhöht, das fT3 durch die Konversionshemmung normal und das TSH kann niedrig bis mild erhöht sein. In diesem Fall wird die Schilddrüsenfunktion durch fT3 und Klinik beurteilt.

Abgesehen von dieser Verschiebung der Werte kann Amiodaron zwei weitere Veränderungen bewirken: die Amiodaron-induzierte Thyreoiditis Typ I und jene vom Typ II. Es handelt sich um ein sehr komplexes Problem, das meist schwer herzkranke Patienten betrifft und unbedingt behandelt werden muss. Der Typ I tritt als Produktionshyperthyreose in Erscheinung. Die Amiodaron-induzierte Thyreoiditis Typ II zeigt sich in einer ausgeprägten, über viele Wochen persistierenden Destruktionshyperthyreose mit sehr hohen fT4 und fT3 Werten, die später in eine Unterfunktion übergeht. Ist die substitutionspflichtige Unterfunktion einmal erreicht, besteht meist keinerlei Gefahr mehr, doch in der Phase bis dahin muss oft mit Kortison behandelt werden.

5.4.2. Fallbeispiel: Biotin interferiert mit Assays

Abb. 5 veranschaulicht einen interessanten Fall: Das niedrige TSH spricht für eine leichte Überfunktion, fT4 ist immens erhöht und fT3 ebenfalls erhöht. Der Vitamin D Spiegel ist nicht messbar hoch und das Parathormon supprimiert. Hier könnte an eine alternativmedizinische Behandlung mit supraphysiologischen Dosen von Vitamin D gedacht werden was im Gespräch mit dem Arzt mitunter verschwiegen wird. Die abnormen Schilddrüsenwerte sind damit aber trotzdem nicht erklärt.

Bei der Erstvorstellung des im Fallbeispiel gezeigten Patienten waren die Schilddrüsenwerte Werte im Grunde unauffällig, das Parathormon jedoch niedrig, die TPO-Antikörper und das Vitamin D übermäßig erhöht. Wir haben den Patienten gebeten, keine Spurenelemente mehr einzunehmen und einige Monate später zur Kontrolle zu erscheinen.

Die Kontrolluntersuchung zeigte eine seltsame Kombination, unter anderem aus supprimiertem TSH und einem nicht messbar hohen fT4-Wert. Die Ursache war eine inzwischen sehr häufig vorkommenden Biotin-Einnahme. Biotin erzeugt in Streptavidin-Biotin-Assays seltsame Ergebnisse, ähnlich einem sehr speziellen Morbus Basedow. In unserem Fallbeispiel zeigt der abschließende Test ohne Biotin durchgehend normale Werte. Unsere Empfehlung ist daher: Sprechen Sie Ihre Patienten ausdrücklich auf Nahrungsergänzungsmittel und im Besonderen auf Biotin an und klären Sie sie über die Wichtigkeit des Absetzens einige Tage vor der Blutabnahme auf.

Biotin beeinträchtig sehr viele Laborparameter deutlich, neben TSH besonders häufig NT-proBNP und Troponin T high sensitiv STAT (alle >1200 Biotininterferenz im Serum (ng/mL)). Aber nicht nur Biotin, auch Schwangerschaften können Interferenzen verursachen. Und es gibt Fälle, da sucht man lange und findet den Auslöser der Verfälschung dennoch nicht.

5.4.3. Fallbeispiel: Unbekannter Auslöser einer Interferenz

Abb. 6 zeigt die Werte eines Patienten, der zu uns kam, um hohe Schilddrüsenwerte abklären zu lassen. Das TSH ein Monat vor dem Test war völlig normal. Es zeigte sich, dass es sich lediglich um eine Assay-Interferenz gehandelt haben musste, denn in der Kontrolle waren alle Werte in Ordnung. Derartige Interferenzen kommen sehr häufig vor. Das Sinnvollste in einem solchen Fall ist es, den Test zu wiederholen, im Zweifelsfall mit einer anderen Bestimmungsmethode.

5.4.4. Die isolierte fT4-Erhöhung

Diese isolierte Erhöhung entsteht meist durch Einnahme der Schilddrüsenhormontabletten kurz vor der Blutabnahme. Auch die familiäre Hyperthyroxinämie und Ruthenium-Antikörper sind ursächlich. Wir sehen die isolierte fT4-Erhöhung inzwischen häufig und sie hat in der Regel keine klinische Relevanz.

5.5. Weitere Laborparameter

 

5.5.1. TPO-Antikörper (TPO-Ak)

Es handelt sich um Autoantikörper gegen die Thyreoperoxidase. TPO-Antikörper sind die pathogenetische Grundlage der chronischen Immunthyreoiditis. Sie sind hilfreich bei der Diagnostik von Autoimmunerkrankungen und bei der Bestimmung der Ursache einer Schilddrüsenunterfunktion.

Die TPO-Antikörper zeigen eine Autoimmunreaktion an, die auf die Schilddrüse beschränkt ist. Die oft sehr hohen Werte verunsichern sowohl Patienten als auch Ärzte, was zu Verlaufskontrollen führt, die leider kaum eine diagnostische Aussagekraft besitzen.

5.5.2. Thyreoglobulin-Antikörper (Tg-Antikörper, TAK)

Antikörper gegen Thyreoglobulin sind im Labor oft begleitend zu den TPO-Antikörpern mit erhöht. Auch hier verunsichern hohe Werte häufig sowohl Arzt als auch Patient. Das Thyreoglobulin (siehe unten) wird als Tumormarker beim Schilddrüsenkarzinom verwendet; hohe Tg-Antikörper können die Bestimmung des Thyreoglobulins stören; hier muss eine Wiederfindung stattfinden (Tg-Recovery).

5.5.3. TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK)

Der TSH-Rezeptor-Antikörper wird irrtümlicherweise vom Immunsystem produziert und ist die pathogenetische Grundlage des Morbus Basedow. Ist TRAK nachweisbar, kann ein Morbus Basedow oder eine Produktionshyperthyreose entstehen. Sinkt der TRAK-Wert in der Verlaufskontrolle, ist das immer ein prognostisch gutes Zeichen. Es gibt sowohl stimulierende als auch blockierende TSH-Rezeptor-Antikörper.
TRAK ist plazentagängig und kann die Schilddrüse des Babys stimulieren. Das ist problematisch, wenn die Mutter thyreoidektomiert ist und Schilddrüsenhormone nimmt, da TRAK das Kind über die Plazenta stimuliert.
Nach Thyreoidektomie bei Morbus Basedow kann eine endokrine Orbitopathie samt hoher TRAK-Werte auftreten.

5.5.4. Achtung Schilddrüsenantikörper bei Frauen

Schilddrüsenantikörper sollten routinemäßig nur bei Hypo- oder Hyperthyreose mit pathologischem TSH bestimmt werden, denn 20 bis 26 Prozent aller euthyreoten postmenopausalen Frauen haben nachweisbare Schilddrüsenantikörper ohne jegliche pathologische Ursache. Werden bei einer gesunden Fraumild erhöhte Autoantikörper gefunden, führt dies meist zu unnötiger Verunsicherung.

5.5.5. Thyreoglobulin

Dabei handelt es sich um einen wichtigen Marker, der die Syntheseleistung der Schilddrüse widerspiegelt. Thyreoglobulin wird nur von den Follikelzellen der Schilddrüse produziert und ins Blut abgegeben. Ist Thyreoglobulin messbar, befindet sich Schilddrüsengewebe im Körper des Patienten. Daher ist es nach karzinombedingter Thyreoidektomie und Radiojodtherapie ein exzellenter Tumormarker. Ist die Schilddrüse allerdings intakt, macht eine Thyreoglobulin-Messung zur Dignitätsbeurteilung keinen Sinn.

5.5.6. Kalzitonin

Kalzitonin wird von parafollikulären C-Zellen produziert. Bestehen nur mild erhöhte Werte, ist die Interpretation oft schwierig, da derzeit nicht klar ist, wo genau der Krankheitswert beginnt. Bei einem Kalzitoninwert von 300 spricht alles für ein medulläres Schilddrüsenkarzinom – wenn der Wert jedoch bei 14 oder 20 liegt, dann ist die Interpretation schwieriger; auch weil Kalzitonin gewichts- und geschlechtsabhängig ist: Muskuläre Männer haben höhere Werte als zarte Frauen. Hier ist die Kalzitonin-Verdoppelungszeit hilfreich. Kalzitonin ist erhöht bei C-Zell-Hyperplasie und, wie erwähnt, beim medullären Schilddrüsenkarzinom.

Früher war eine Stimulation mit Pentagastrin gut möglich, dieses Medikament gibt es allerdings nicht mehr. Die Stimulation mit Kalzium ist nur eingeschränkt hilfreich.
Kalzitonin wird ausschließlich als Marker für das medulläre Schilddrüsenkarzinom herangezogen. Daher sollte es auch nur bei jenen Patienten regelmäßig kontrolliert werden, bei denen die Kalzitoninwerte erhöht oder mild erhöht sind. Ist das Kalzitonin negativ, ist eine Verlaufs-Kontrolle nicht sinnvoll.

5.5.7. Jod

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Jod zu messen: Im Serum, im Vollblut, im Spot-Harn oder im 24-Stunden-Harn. Die Ergebnisse sind ähnlich. Alle zeigen, welche Menge Jod in den Tagen vor der Blutabnahme zugeführt wurde. Daher ist die Sinnhaftigkeit dieser Messung nicht klar.. Die relevanten Fragestellungen sind der Ausschluss einer Kontamination vor Radiojodtherapie und epidemiologische Reihenuntersuchungen.

Sinnvoller ist es, darauf zu achten, was man isst. Die Österreichische Schilddrüsengesellschaft empfiehlt eine tägliche Jodaufnahme von 150 Mikrogramm, was inzwischen relativ schwierig zu bewerkstelligen ist, denn Österreich ist ein Jodmangelland. Die gesetzliche Speisesalzjodierung wird leider immer mehr aufgeweicht. Die Gründe dafür sind vielfältig: Trotz der gesetzlichen Bestimmung, unjodiertes Salz nur auf Verlangen auszugeben, findet man im Handel sehr viele unjodierte Speisesalzsorten frei zugänglich. Industriesalz ist nicht jodiert. Auch der verringerte Salzkonsum aufgrund der steigenden Zahl von Herzerkrankungen trägt zu einer geringeren Aufnahme von Jod durch Salz bei.

Es braucht eine gewisse Menge des Spurenelements, um die Schilddrüsengesundheit zu erhalten – allerdings kann Jod, kontinuierlich in hohen Dosen zugeführt, Autoimmunerkrankungen stimulieren. Normale Haushaltsmengen reichen dafür jedoch nicht aus. So ist die Empfehlung ganz klar: Verwenden Sie jodiertes Salz und empfehlen Sie dies auch Ihren Patienten.

In Meersalz ist natürliches Jod nur dann enthalten, wenn es nicht aus einer industriellen Gewinnungsanlage stammt, sondern in der Sonne getrocknet wurde. In den klassischen Anlagen verdampft das Jod mit dem Wasser und wird anschließend wieder zugesetzt.

5.5.8. Selen

Selen ist ein Spurenelement, das antioxidativ wirkt, in hoher Dosierung jedoch toxisch ist. Es spielt eine große Rolle bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse, da es Antikörper reduziert und auch den Verlauf von Autoimmunerkrankungen günstig zu beeinflussen scheint. Wird Selen bestimmt, ergibt sich meist ein niedrig normaler bis verminderter Wert. Die Bestimmung ist insofern problematisch als die Kassen die Kosten nicht übernehmen und es relativ lange dauert, bis die Werte vorliegen. Ein solcher Test kann vor einer Selensubstitution natürlich angedacht werden, doch die wichtigste Indikation ist die Überdosierung, insbesondere von Kindern, die von ihren Müttern mit Nahrungsergänzungsmitteln versorgt werden. Ich bestimme Selen meist bei Kindern, die Nahrungsergänzungsmittel einnehmen, um eine Selen-Überdosierungen auszuschliessen. Hier ist wichtig, die Eltern über die mögliche Toxizität aufzuklären und eine Reduktion der Supplementierung zu empfehlen.

 

6. Struma nodosa

Die Diagnostik des Kropfes besteht aus Anamnese, klinischer Untersuchung, Ultraschall, Feinnadelpunktion, Szintigrafie und Labor. Mit TIRADS wurde ein Klassifikationssystem entwickelt, um die Dignität von Knoten einzuschätzen. Der am besten durchführbare TIRADS scheint jener des American College of Radiology (ACR-TIRADS) zu sein, der auf der Website www.tirads.at als einfacher Rechner zur Verfügung steht.
Es muß immer beachtet werden, dass TIRADS nicht für die Dignitätsbeurteilung von Schilddrüsenknoten im Jodmangelgebiet entwickelt wurde. Hier ist noch immer die Szintigrafie sehr hilfreich um funktionell autonome Knoten zu erkennen, die ebenfalls sonografisch suspekt wirken.

6.1. Labordiagnostik

Die Labordiagnostik der Struma nodosa ist einfach: Das TSH ist auch hier der aussagekräftigste Wert. Ist es außerhalb des Normbereichs, werden auch die freien Hormone bestimmt. Falls eine Thyreoidektomie geplant ist ist präoperativ die Bestimmung von fT3 und fT4 sinnvoll, um die ursprünglichen Werte nach der Operation mit Hilfe von Medikamenten "nachzubauen". Auch das Kalzitonin ist wichtig, um ein medulläres Schilddrüsenkarzinom auszuschliessen.

Weiters sinnvoll sind Kalzium und eventuell Patathormon, um einen etwaigen Hyperparathyreoidismus festzustellen, eventuell TPO- und Tg-Antikörper zum Ausschluss einer begleitenden Immunthyreoiditis , PTT, PTZ vor der Feinnadelpunktion.

 

7. Schilddrüse und Schwangerschaft

Zum idealen TSH-Wert bei Schwangeren und Frauen mit Kinderwunsch gibt es derzeit keine klare Evidenz. In den letzten Jahren war es der Trend, bei Kinderwunsch generell eher niedrige TSH Werte anzustreben, nun pendeln vor allem die amerikanischen Richtlinien wieder in die Gegenrichtung. Als Faustregel kann gelten, dass der TSH Wert bei Kinderwunsch und im ersten Teil der Schwangerschaft unter 2.5 µU/ml liegen soll. Bei Schilddrüsenhormontherapie sind in der Schangerschaft regelmäßige Kontrollen erforderlich, meist muß im ersten Trimenon die Dosis erhöht werden.

Jede Schwangere sollte möglichst früh, zwischen der sechsten und achten Schwangerschaftswoche, ihre TSH-Werte bestimmen lassen. (Abb. 7) Liegt der Wert unter 2,5, sind die TPO-Antikörper normal und findet sich in der Sonografie kein Knoten, ist die Patientin schilddrüsengesund.

Liegt das TSH über 2,5 µU/ml und sind die TPO-Antikörper positiv, ist die Sonografie meist echoarm. In diesem Fall sollte das fT4 bestimmt werden, da die Patientin eine chronische Immunthyreoiditis hat und eventuell in der Schwangerschaft aufgrund des vermehrten Hormonbedarfes Schilddrüsenhormontabletten braucht. Hier besteht auch ein erhöhtes Risiko für eine Postpartum-Thyreoiditis und ich empfehle, die Patientin drei bis sechs Monate nach der Entbindung zur Kontrolle wiederzubestellen.

Ist das TSH supprimiert, sind die TPO-Antikörper positiv und die Sonografie echoarm, müssen fT4, fT3 und TRAK bestimmt werden, es liegt ein Morbus Basedow vor. In diesem Fall ist eine Zuweisung in ein Zentrum dringend angezeigt.

Bei niedrigem TSH, negativen TPO-Antikörpern, unauffälliger Sonografie, normalem fT3, fT4 und TRAK liegt eine Beta-hCG-induzierte Überfunktion vor, die sich normalerweise spätestens in der 16. Woche wieder normalisiert.

8. Schilddrüse und Kindheit/Jugend

Im Allgemeinen gilt: Ein TSH-Wert über zehn µU/ml muss behandelt werden. Das ist bei Kindern oft eine sehr schwierige Situation, denn gerade in der Pubertät zeigen sich oft hochnormale Werte. Meine Empfehlung ist, Kinder bei TSH Werten unter 10 µU/ml nicht zu therapieren. Man kann über eine Therapie nachdenken, wenn deutlich erhöhte Antikörper und ein typisches Muster einer Autoimmunerkrankung im Ultraschall vorliegen. Es ist stets daran zu denken, welchen Effekt es auf ein Kind hat, wenn man ihm sagt dass es krank sei und ein Medikament nehmen müsse.
Auch Adipositas kann zu erhöhten TSH-Werten führen, ohne dass eine Schilddrüsenfunktionsstörung vorliegt. Eine medikamentöse Therapie hat hier keinen Sinn, auch wenn manche Eltern noch so sehr darauf bestehen.


9. Schilddrüse und Alter

Im Alter ist es möglich, dass ein niedriges TSH oder die medikamentöse Übersubstitution kardiovaskuläre Ereignisse triggert und dadurch ein relevantes Gesundheitsproblem entstehen kann. Auch wenn es wenig Evidenz dazu gibt, zeigen die vorliegenden Daten, dass es sinnvoll ist, ältere Patienten nicht überzubehandeln und die TSH-Werte in dieser Patientengruppe auch ein wenig höher sein dürfen.

Literatur beim Verfasser.

 

 

Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
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