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Schilddrüsenpraxis Josefstadt

Schilddrüse und Schwangerschaft

Verfasst von Dr. Georg Zettinig, Wien, 2004 als Manuskript für de Zeitschrift "Arzt und Praxis".

Ursprünglich veröffentlicht auf www.nuklearmedizin.org

Die Schilddrüsenfunktion während der Schwangerschaft

Während einer Schwangerschaft kommt es physiologischerweise zu einer vermehrten Produktion von thyroxinbindendem Globulin (TBG). Dadurch nimmt die Gesamthormonkonzentration im Serum zu; während einer Schwangerschaft müssen daher immer die freien Schilddüsenhormonehormone bestimmt werden. Die Beta-HCG-Konzentration steigt im ersten Drittel einer Schwangerschaft deutlich an.

Beta HCG besitzt eine TSH-ähnliche Wirkung und stimuliert die Thyreozyten; aus diesem Grund kommt es im ersten Trimenon physiologischerweise zu einem Anstieg des fT4 mit einem Maximum um die 10. Woche, sowie zu einem dadurch bedingten Abfall des TSH. So kann sich während der Schwangerschaft eine latente oder manifeste Hyperthyreose entwickeln (Beta-HCG-induzierte Hyperthyreose).

Diaplazentarer Transport

Die Plazenta ist in geringem Maße für mütterliche Schilddrüsenhormone durchgängig. Jod, schilddrüsenspezifische Antikörper sowie Medikamente wie Thyreostatika und Betablocker sind frei plazentagängig. Ab der 10. bis 12. Schwangerschaftswoche ist die kindliche Schilddrüse in der Lage Jod aufzunehmen und Schilddrüsenhormone zu produzieren. Allerdings sind bereits ab der 8. Schwangerschaftswoche im fetalen Gehirn Rezeptoren für Schilddrüsenhormone ausgebildet. Eine ausreichende Jodzufuhr sowie eine gute Einstellung der Schilddrüsenstoffwechsellage sind für eine normale körperliche und geistige Entwicklung des Fetus unbedingt erforderlich.

Jodstoffwechsel in der Schwangerschaft

Der Jodbedarf steigt während der Schwangerschaft durch eine erhöhte renale Clearance, durch den Jodverbrauch des Fetus und durch die Zunahme des intravasalen Verteilungsraumes. Während Schwangerschaft und Stillperiode steigt der Jodbedarf von normal 150 µg pro Tag auf täglich 250 µg. In der Schwangerschaft ist daher auf eine ausreichende Jodversorgung zu achten, eventuell ist auch eine Substitution mit Jodid empfehlenswert.

Ein besonderes Problem stellen dabei schwangere Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse dar. Im Interesse des Fetus sollte auch hier Jod substituiert werden, die Patientinnen sind allerdings darauf aufmerksam zu machen, dass sich bei ihnen postpartal die Autoimmunerkrankung verschlechtern könnte.

Hypothyreose und Schwangerschaft

Eine Hypothyreose kann während einer Schwangerschaft neu auftreten, ebenso kann eine Hypothyreose bereits bekannt sein und unter Behandlung stehen. Da eine Hypothyreose zu gestörter intellektueller und körperlicher Entwicklung des Fetus führen kann, ist bereits vor Konzeption bei allen Frauen eine Euthyreose mit einem TSH-Wert <2.5 anzustreben.

Bei substituierten Patientinnen kann ab der 4. bis 6. Woche eine um bis zu dreißig- bis fünfzigprozentige Erhöhung der T4-Dosis notwendig sein. Falls eine manifeste Unterfunktion während der Schwangerschaft neu diagnostiziert wird, sollte schnell durch schrittweise Erhöhung der T4-Dosis eine Euthyreose angestrebt werden. Da auch die subklinische Hypothyreose möglicherweise die intellektuelle Entwicklung des Fetus beeinflusst, muss auch bei diesen Patientinnen eine baldige Normalisierung des TSH angestrebt werden. Auch bei euthyreoten Frauen mit chronischer Immunthyreoiditis ist in der Frühschwangerschaft ein TSH-Anstieg möglich. Bei Frauen mit Abort finden sich signifikant höhere TSH-Werte als bei regelrechten Schwangerschaften im gleichen Gestationsalter.

Bereits vor 30 Jahren gab es Hinweise darauf, dass der Intelligenzquotient bei Kindern von hypothyreoten Müttern niedriger liegt. Eine große Studie 1999 untersuchte die Kinder von nichtbehandelten hypothyreoten Müttern, als diese bereits im Schulalter waren. Es fand sich, dass der Intelligenzquotient bei diesen Kindern im Schnitt um sieben Punkte niedriger lag als bei Kindern von euthyreoten Müttern.

Schilddrüsenüberfunktion und Schwangerschaft

Beta HCG besitzt eine TSH-ähnliche Wirkung, es findet sich daher im ersten Trimenon physiologischerweise eine vermehrte Produktion von T4 mit konsekutiver Erniedrigung des TSH. Nur selten kommt es dadurch zu einer subklinischen oder manifesten Hyperthyreose (Beta-HCG induzierte Hyperthyreose). Meist normalisiert sich die SD-Funktion spätestens im zweiten Trimenon. Komplizierte Formen sind meist assoziiert mit einer Hyperemesis gravidarum und bedürfen einer thyreostatischen Behandlung. Auch bei jeder Patientin mit Hyperemesis gravidarum sind Kontrollen der Schilddrüsenparameter erforderlich, da bei ihnen eine therapiepflichtige manifeste Schilddrüsenüberfunktion möglich ist.

Bei einem Morbus Basedow kommt es während der Schwangerschaft meist zu einer Normalisierung der Schilddrüsenfunktion. Weitere Ursachen für eine Schwangerschaftshyperthyreose können eine passagere, durch Zellzerfall ausgelöste Hyperthyreose bei Thyreoiditis, eine funktionelle Autonomie bzw. eine Hyperthyreosis facticia sein.

Thyreostatische Therapie in der Schwangerschaft

Eine thyreostatische Therapie kann während der Schwangerschaft neu eingeleitet bzw. fortgesetzt werden. Ziel ist das freie T4 im oberen Normalbereich von Nicht-Schwangeren, das Medikament der ersten Wahl ist Propylthiouracil. Dieses darf nur als Monotherapie gegeben werden, keinesfalls in Kombination mit Schilddrüsenhormontabletten. In ausgeprägten Fällen ist eine subtotale Thyreoidektomie im zweiten Trimenon möglich.

Die subklinische Hyperthyreose in der Schwangerschaft ist nicht therapiepflichtig. Es gibt diesbezüglich keine Evidenz bezüglich eines besseren Outcomes unter Therapie, ein weiteres Gegenargument sind die potentiellen Nebenwirkungen der Thyreostatika.

Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse und Schwangerschaft

Bei Patientinnen mit einer Autoimmunerkrankung der Schilddrüse kommt es während der Schwangerschaft durch die immunsuppressiven Mechanismen der Schwangerschaft meist zu einer Normalisierung der echoarmen Parenchymstruktur im Ultraschall und zu einem Rückgang der Antikörper.

Bei allen Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen muss auf den TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) hingewiesen werden. Dieser ist frei plazentagängig und kann die Schilddrüse des Fetus stimulieren. Bei schwangeren Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse muss daher im dritten Trimenon eine TRAK-Kontrolle zum Ausschluss einer möglichen fetalen Hyperthyreose durchgeführt werden.

Wie bereits erwähnt stellt eine Schwangerschaft für Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen ein ausgezeichnetes Immunsuppressivum dar. Vor allem beim Morbus Basedow sinkt während der Schwangerschaft meist die notwendige thyreostatische Dosis an Propylthiouracil. Allerdings sind nach einer Schwangerschaft bzw. nach Abstillen Rezidive häufig. Bei Patientinnen mit floridem Morbus Basedow und Kinderwunsch sollte daher vor Konzeption eine definitive Therapie zumindest diskutiert werden.

Schilddrüsenknoten und Schwangerschaft

Wachsende bzw. neu aufgetretene Schilddrüsenknoten während einer Schwangerschaft müssen genau abgeklärt werden. Alle Knoten >1 cm, die während einer Schwangerschaft entdeckt werden, sollten ultraschallgezielt feinnadelpunktiert werden. Bei nachgewiesener Malignität ist eine Operation im zweiten Trimenon möglich.

Die Schilddrüse in der post-partum Periode

Postpartal kommt es oft zu einer Verschlechterung einer bestehenden chronischen Immunthyreoiditis bzw. eines Morbus Basedow. Durch die Schwangerschaft kann auch bei der Mutter eine Autoimmunthyreoiditis neu induziert werden, die sich typischerweise in den ersten sechs Monaten nach Geburt manifestiert (Postpartum-Thyreoiditis).

Wie bei allen Thyreoiditiden findet sich auch hier meist ein biphasischer Verlauf: Eine passagere, durch Zerfall der Follikel ausgelöste Hyperthyreose dauert Wochen bis eventuell Monate und kann dann schnell in eine substitutionspflichtige Hypothyreose umschwenken. Die hyperthyreote Phase ist meist nicht behandlungspflichtig (eventuell Betablocker zur symptomatischen Therapie; Thyreostatika sind hier kontrainduziert). Eine Hypothyreose ist immer therapiepflichtig.

Bei der Postpartum-Thyreoiditis ist eine Remission möglich, ein bis zwei Jahre postpartal sollte ein Auslassversuch der T4 Medikation durchgeführt werden. Bei allen Frauen mit erhöhten Schilddrüsen-Antikörpern sollte drei und sechs Monaten postpartal der TSH-Wert kontrolliert werden, auch bei allen Frauen mit Diabetes mellitus ist drei und sechs Monaten postpartal eine TSH-Kontrolle zu empfehlen.

 

Dieser Artikel wurde 2004 verfasst und entspricht dem Stand des Wissens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Literatur beim Verfasser.

Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
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